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Erste Impressionen oder "Nie wieder ist jetzt!"

 

Das Tor ist offen. Ein Stern weist mir den Weg. Es ist nicht „mein“ christlicher Weihnachtsstern, es ist der Davidstern. Welche Bedeutung hat der Davidstern eigentlich im jüdischen Glauben, in der jüdischen Kultur? So viel Unwissenheit meinerseits.

Eine große Friedhofsfläche, aber nur wenige Grabsteine im oberen Bereich. Sehr weit außerhalb des Ortes gelegen, aber inmitten einer wunderschönen Natur. Mit einem herrlichen Blick in die Weite.

Ich kann die Inschriften auf den Grabsteinen nicht lesen. Hebräisch. Welcher Mensch liegt hier begraben? War es ein Mann, eine Frau? Welches Alter? Welches Schicksal? Die Grabsteine geben mir keine Antwort. Sie schweigen. Auch rund um mich herum ist alles still. Eine wunderbare Stille.

Auf einigen Grabsteinen liegt ein einzelner Stein. Ein jüdischer Brauch zur Ehrung und zum Gedenken an die Toten. Gibt es noch Angehörige, die hier bis heute ihrer Verstorbenen auf diese Weise gedenken? Und was ist mit denen, auf deren Grabstein kein Stein liegt? Vergessen? Ein Grabstein ist umgekippt. Auch vergessen?

Ich weiß so wenig über den jüdischen Glauben. Ich weiß so wenig über jüdisches Leben. Ich weiß mehr über die Vernichtung des jüdischen Lebens. Was ich auch weiß ist, dass die Gräber „unendlich“ sind. Für die Ewigkeit. Sie dürfen niemals entfernt werden. Erinnerung ohne Ende. Gegen das Vergessen.

Grabsteine. Alt und verwittert. Als wäre dieser unsägliche Krieg schon vor vielen, vielen Generationen gewesen. Dabei ist mir dieser II. Weltkrieg noch so nah. Mein Vater war Soldat, in Frankreich und in Russland. Und meine Mutter hat versucht, zu Hause das Leben aufrecht zu erhalten. Zu überleben. Mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und deren beiden Kleinkindern.

Alles lange her und doch so nah. Noch näher: Der Angriff der Hamas auf Israel. Krieg im Gazastreifen. Gestern, heute, morgen. Kein Ende in Sicht. Juden sterben. Palästinenser sterben. Wieder Täter und Opfer. Wieder sinnloses Töten.

Krieg in meiner Nähe? Ich war so an Frieden gewöhnt. An „never ending - Frieden“, so dachte ich. Werden auch meine Kinder ihr Leben ausschließlich in Friedenszeiten leben können? Schrecklich, wenn es anders wäre.

Der Schrecken des II. Weltkrieges zeigt sich bis heute. Verwitterte jüdische Grabsteine. Erhalten für die Ewigkeit. Gegen das Vergessen. Nie wieder ist jetzt!

Ich stehe auf und mein Blick richtet sich wieder in die Weite der fantastischen Natur. „Ist das schön hier!“, denke ich. Wie nah können die Schönheit der Natur, die Schreckensherrschaft der Nazis und das stille Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus nebeneinander liegen.

A.K.

 

Projektleitung: Laura Marahrens, Freie Altenarbeit Göttingen e.V.,

Am Goldgraben 14, 37073 Göttingen, Tel. 0551 – 43606, E-Mail: kontakt@ortemitgeschichte.de

 


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Projektleitung:

Laura Marahrens

Dieses Projekt ist Teil der „Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Göttingen“. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“

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