Weit außerhalb des Ortes Bremke stehen 44 Stelen, d.h. Grabsteine, aufgereiht nebeneinander. Sie sind beschriftet mit hebräischen Buchstaben (Auf den Rückseiten findet man noch wenige Latein-Buchstaben).
Mein erster Eindruck: Welch ein Kontrast!
Hier diese Landschaft, sanft geschwungen, alles grün, wohlbestelle und geerntete Felder außerhalb der Gedenkstätte; diese umrahmt von einer hohen Hecke, ein Vogelbeerbaum. Ein ruhiger Ort zum Wohlfühlen.
Dort die Grabsteine, in 4 Reihen aufgestellt, mit dieser für mich unzugänglichen Beschriftung, relativ schmucklos, streng, befremdlich… Für mich wie ein Mahnung mit dem Wissen um die Vernichtung, den Holocaust.
Aber die Menschen, hier aus Bremke, sie haben hier gelebt, gearbeitet, geheiratet, Kinder bekommen, seit 1727. Es waren etwa 150, das ist ein hoher Anteil (15%). Sie hatten eine Schule, eine Synagoge und ein jüdisches Bad und eben diesen Friedhof.
Der Heimatpfleger Herr Bergmann, der sich mit der Geschichte des Ortes beschäftigt, konnte herausfinden, dass Juden in Bremke zwischen 1852 und 1930/33 lebten. Sie waren anerkannt, bekleideten auch Ämter bei der Gemeinde, waren Handwerker, oder fuhren zur Arbeit nach Göttingen und andere Orte.
Dennoch hat es immer auch Vorbehalte gegeben. Etwas blieb fremd, Integration Ja und Nein. Die Synagoge wurde von den Bremkern geschützt vor den Übergriffen der NS. Später ist sie dann aber doch durch Menschenhand abgebrannt. Und die Grabsteine wurden aus der Verankerung gerissen, auf einen Haufen geworfen, womöglich sogar missbraucht als Baumaterial.
Im Krieg hat eine Frau, die wie viele nach wie vor dem NS nahestand, das Grundstück des Friedhofs gekauft, um es als Gemüsegarten zu nutzen, und es für alle Zeiten vom jüdischen Heiligtum zu befreien. Später konnte der Landesverband der jüdischen Gemeinden das Grundstück zurückerwerben. Der Göttinger Prof. Schaller, der sich mit der Geschichte des Judentums befasste, hat die Inschriften auf den noch erhaltenen Stelen mit Hilfe von Studenten übersetzt. Viele Jahre später wurden die noch vorhandenen Steine in der jetzigen Art wieder aufgestellt.
Die Toten, die hier ruhen, sind sie durch Alter und Krankheit gestorben, oder durch Gewalt?
Alle Aufzeichnungen, Berichte, Chroniken, die zur Aufklärung des damaligen Lebens der jüdischen Menschen dienen könnten, sind mit der Synagoge verbrannt. Um an die Deportierten zu erinnern, gibt es im Ort eine Tafel mit allen Namen. Auch hier wie überall sind ganze Familien ausgerottet wurden von Menschen wie wir.
Diese Tatsache begleitet mich seit meinem 16. Lebensjahr, als ich zum ersten Mal vom Holocaust hörte. Sie hat mich geprägt und begleitet mich immer. Es waren keine Monster, keine Ungeheuer, von denen wir uns unterscheiden könnten, sondern Menschen.
Uta Berger
Projektleitung: Laura Marahrens, Freie Altenarbeit Göttingen e.V.,
Am Goldgraben 14, 37073 Göttingen, Tel. 0551 – 43606, E-Mail: kontakt@ortemitgeschichte.de
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