Als wir am Gelände ankamen, war ich zunächst völlig irritiert, ja verwirrt. Von diesem Lager habe ich nichts gewusst! Nüxei! Wie oft bin ich hier vorbeigefahren, fast 30 Jahre habe ich in der Nähe gewohnt, gearbeitet, bin viel gewandert – und habe sogar kurz 1996 in einer Gruppe der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung mitgearbeitet. Da ging es um Juliushütte bei Ellrich, auch ein Vernichtungslager. Was ich hier erlebe, sehe und erfahre, erschüttert mich tief.
Hier war eines der vielen Arbeits- und Todeslager der SS, die meist vom Stammlager Dora bei Nordhausen rekrutiert wurden.
Hier haben Menschen aus vielen Ländern Europas gearbeitet. Sie haben die Helmetal-Bahntrasse gebaut. Bei jedem Wetter mit mangelhafter Kleidung (wegen der gestreiften Anzüge wurden sie von den Einheimischen „Zebras“ genannt), einer wässrigen Mahlzeit am Tag. Sie starben an Erschöpfung, an Hunger, an Kälte und Nässe.
Hier gibt es keinen Friedhof, hier wurden die Leichen in einem Gebäude aufgestapelt und später verbrannt.
Eigentlich ist hier überhaupt nichts zu sehen. Es gibt Info-Tafeln mit Texten und Plänen vom Lager, und auf dem Gelände eine vom Rasen ausgesparte Stelle: Eine Art Fundament eines Hauses.
Und wieder dieser Kontrast!
Hier eine Idylle von so viel Schönheit und Friedlichkeit, dass mir die Worte fehlen, um nicht kitschig zu klingen.
Eine absolut heile Welt, so scheint es, in die wir da eindringen, ein paar schmucke Häuser, teilweise Fachwerk, gepflegte Gärten, hier dieser parkähnliche Platz, Stille, ein sanfter Wind … ein Spätsommertag „wie er im Buche steht“.
Und dort war eines der Todeslager. Diese Gleichzeitigkeit der Dinge und Ereignisse! Sicher war diese Landschaft im Südharz 1943-45 ebenso schön und idyllisch wie heute. Und gleichzeitig starben täglich Menschen und blieben einfach da liegen. Und welche Leiden hatten sie hinter sich.
Und während 1943/44 in Kassel Menschen in ihren Häusern verbrannten, erlebte ich auf dem Land meine schönsten und unbeschwertesten Kinderjahre.
U.B.
Projektleitung: Laura Marahrens, Freie Altenarbeit Göttingen e.V.,
Am Goldgraben 14, 37073 Göttingen, Tel. 0551 – 43606, E-Mail: kontakt@ortemitgeschichte.de
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